Handout-Foto vom Prigoschin-Pressedienst (Archivbild)
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Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist mutmaßlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

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Putin kondoliert Angehörigen Prigoschins: Was bisher bekannt ist

Zwei Monate nach dem Aufstand der Söldner-Gruppe Wagner gegen Moskau ist ihr Chef, Jewgeni Prigoschin, offenbar tot. Das hat nun Wladimir Putin indirekt bestätigt. Prigoschin saß wohl in einem Flugzeug, das gestern abstürzte. Was bisher bekannt ist.

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Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist allem Anschein nach bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen - genau zwei Monate nach der kurzen Meuterei seiner Kämpfer gegen die Militärführung in Moskau. Der Absturz wirft etliche Fragen auf, insbesondere zur Rolle des Kremls. Was bisher bekannt ist.

Ist Prigoschins Tod mittlerweile bestätigt?

Eindeutige Belege für Prigoschins Tod gibt es bisher nicht. Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Donnerstagabend den Tod des Söldnerführers indirekt bestätigt. Er nannte Prigoschin einen "talentierten Menschen" mit einem schwierigen Schicksal, wie russische Agenturen am Donnerstag meldeten. Putin formulierte, dass ersten Erkenntnissen zufolge am Vorabend ein Flugzeug mit Angehörigen der Privatarmee Wagner abgestürzt sei. Wagner habe einen wichtigen Beitrag in den Kämpfen in der Ukraine geleistet, der nicht vergessen werde.

Putin sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Er kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an. Diese habe bereits begonnen, werde aber eine Zeit lang dauern, sagte er bei einem Treffen mit dem russischen Verwaltungschef von Donezk, Denis Puschilin.

Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass Prigoschin sich an Bord des abgestürzten Privatjets befunden habe, der am Mittwochabend auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg abgestürzt sei. Die Luftfahrtbehörde bezog sich dabei auf Angaben der verantwortlichen Fluglinie. Der russische Zivilschutz teilte mit, dass alle zehn Insassen des Flugzeugs ums Leben gekommen seien.

Der Telegram-Kanal "Grey Zone", den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos nutzte, meldete am Mittwochabend den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner.

War Prigoschin wirklich im abgestürzten Flugzeug?

Von der Nachrichtenagentur AP überprüfte Flugdaten zeigten, dass ein auf Wagner zugelassener Privatjet, den Prigoschin auch früher schon genutzt hatte, am Mittwochabend von Moskau gestartet war und eigentlich nach St. Petersburg fliegen sollte. Wenige Minuten später brach der Kontakt zu der Maschine ab.

Auf einem Bild, das von einem Pro-Wagner-Account in den sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde, sind brennende Wrackteile und ein Teil der Hecknummer zu sehen. Sie lässt ebenfalls darauf schließen, dass es sich um ein Flugzeug handelt, das bereits in der Vergangenheit von Prigoschin genutzt worden war.

Ein Sprecher der von Moskau eingesetzten Verwaltung in der ukrainischen Region Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, auch ihm sei von Wagner-Leuten versichert worden, dass Prigoschin und dessen enger Vertrauter Dmitri Utkin an Bord gewesen seien, als die Maschine abstürzte.

Wo und warum ist die Maschine abgestürzt?

Die Luftfahrtbehörde Rosawiazija teilte mit, der Absturz in der Region Twer nördlich von Moskau werde untersucht. Eine Ursache für den Absturz ist bislang nicht bekannt. Es gibt keine offiziellen Aussagen dazu.

Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge befindet sich die Absturzstelle fast 300 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. In der ländlichen Gegend gibt es keine Flugplätze, wo die Maschine mit drei Piloten und sieben Passagieren an Bord hätte sicher landen können.

Im Audio: Was bedeutet der Absturz für Kremlchef Putin?

Dieses Bild aus einem von Ostoroschno Nowosti veröffentlichten Video zeigt die Absturzstelle eines Privatjets in der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der Region Twer.
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Dieses Bild aus einem von Ostoroschno Nowosti veröffentlichten Video zeigt die Absturzstelle eines Privatjets in der Region Twer.

Hat sich der Kreml nun doch an Prigoschin gerächt?

Auf den Tag genau zwei Monate vor seinem Tod meuterten die Wagner-Truppen und marschierten auf Prigoschins Geheiß auf Moskau zu. Die Hintergründe dieser Ereignisse sind bis heute unklar. Für Russlands Präsidenten Putin, der keine öffentliche Infragestellung seiner Autorität duldet, war es aber eine beispiellose Erschütterung seiner Machtposition. Er nannte Prigoschin daraufhin einen Verräter. Er hatte Vergeltung angekündigt, Prigoschin schien bislang aber nicht behelligt worden zu sein.

Videos, die Wagner-nahe Telegram-Kanal "Grey Zone" veröffentlichte, legten die Vermutung nahe, dass die Maschine abgeschossen worden sein könnte. Zu sehen ist ein Flugzeug, das aus einer Rauchwolke wie ein Stein zu Boden fällt. Die Nachrichtenagentur AP untersuchte einzelne Bilder der zwei Videos und kam zu dem Schluss, dass die Aufnahmen eine Explosion während des Flugs nahelegen. Anscheinend fehlt dem Flugzeug auch eine Tragfläche, als es zu Boden stürzt. Ein solcher freier Fall passiert in der Regel, wenn ein Flugzeug in der Luft schwer beschädigt wird.

Grey Zone und einige Militärblogger verbreiteten die These, dass der Absturz kein Unfall gewesen sei. Grey Zone sprach von einem Abschuss durch die russische Flugabwehr. "Prigoschin starb als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands", hieß es in einem Post.

Der kremltreue russische Fernsehsender Zargrad stellte ebenfalls den Verdacht eines Mordkomplotts gegen Prigoschin in den Raum. Er gab aber dem ukrainischen Militärgeheimdienst die Schuld am Absturz des Flugzeugs.

Was sagen westliche Politiker?

Außenministerin Annalena Baerbock warnt vor Spekulationen. Der Flugzeugabsturz sei erst einige Stunden her, deswegen könne man "keine schnellen Schlüsse ziehen", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag im Deutschlandfunk. Der Vorfall unterstreiche aber, "dass ein System, dass eine Macht, dass eine Diktatur, die auf Gewalt gebaut ist, dass sie eben auch intern nur Gewalt kennt".

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, sieht sich darin bestätigt, dass Prigoschin seinen vermeintlichen Putschversuch vor zwei Monaten "nicht überleben" würde. Es sei noch nicht klar, ob er wirklich tot sei, "aber es würde in das Bild passen, dass Putin seine Gegner schlichtweg aus dem Weg räumt, tötet", so Strack-Zimmermann im Interview mit dem Fernsehsender phoenix. Auch Prigoschin "war und ist ein Verbrecher und ein Mörder. Und insofern hat der eine Teufel sich mit dem anderen eingelassen. Das könnte ein logisches Ergebnis daraus sein", so Strack-Zimmermann.

US-Präsident Joe Biden sagte: "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht." Eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, sagte, man habe die Berichte über den möglichen Tod Prigoschins gehört. Auch sie betonte: "Wenn sie sich bestätigen, sollte niemand überrascht sein."

Könnte es zu einem neuen Wagner-Aufstand kommen?

Unklar ist, was aus den mehreren Tausend Wagner-Kämpfern wird, die nach der Meuterei nach Belarus gegangen sind und nun ihren Anführer verloren haben.

"Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben", schrieb der Militärjournalist Roman Saponkow auf Telegram. "Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral." Prigoschin war wegen seiner Kritik an der regulären Armeeführung und einigen Erfolgen seiner Söldner auf dem Schlachtfeld beliebt bei Soldaten.

Allerdings gibt es laut ARD-Korrespondentin Christina Nagel im Moment keine Anzeichen dafür, dass ein neuer Putsch droht. Auch die Frage, was mit der privaten Söldner-Gruppe passiert, ob sie vielleicht vom russischen Verteidigungsministerium, übernommen wird, all dies sei noch offen.

Mit Informationen von dpa, AP, ARD-Korrespondentin Christina Nagel

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